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Luxman L-85V – Die Tantalen

HiFi Reparatur und Service

Der Luxman L-85V – eine kleine Legende seinerzeit!

Bei der Einführung 1975 eine Sensation.
Zwar war das Gerät mit knapp 2000DM nicht ganz günstig, allerdings gab es kaum vergleichbare Modelle zu dieser Zeit, welche dieses Maß an Funktionen und Klangregelmöglichkeiten bieten konnten.

Besonders bei diesem Modell sind die beim Lautstärke sowie Bass/Treble Regler verwendten rastenden Alps Potentiometer. Somit ist keine Stufenlose Regelgung möglich, sondern es werden vordefinierte Schritte verwendet. Die 21 Schritte können quasi durch betätigen des Attenuate-Schalters auf 42 erweitert werden.

Dieses Exemplar ist noch im relativ guten optischen Zustand – das technische beweist sich allerdings leider als völliges Gegenteil.

Beim öffnen erkennt man direkt, das dass Gerät schon einmal geöffnet wurde. Leider wurden dabei die Laschenschrauben des Zierrings zu stark angezogen, und die Arretierung ist damit abgebrochen.

Luxman-Typisch aufgebaut. Natürlich wurden auch hier sorgfältig sämtliche Anschlussbeinchen von Bauteilen umgebogen, sodass ein auslöten 3x so lange dauert wie „normal“.

Bereits erkennbar sind hier auf einer Seite die getauschten Endstufentransistoren. Diese wurden durch einen anderen Typ ersetzt.

linke Seite mit Original Toshiba 2SC1079/2SA679
rechte Seite mit Hitachi 2SB653/2SD673

Der Verstärker lässt sich zwar einschalten und gibt das Lautsprecherrelais frei – das wars dann allerdings schon mit der Euphorie. Buchstäblich jeder Schalter verursacht ein starkes „knallen, krachen oder rauschen“ in den Lautsprechern.
Beim betätigen des Attenuate-Schalters springen sogar die Nachbarn einmal vor Schreck im Kreis.

Selbst wenn man nichts anrührt scheint das Klangbild falsch – Eine Messung des Frequenzgangs bestätigt mein Gehör – hier ist was ganz im Argen!

Leider ist das Gerät nicht besonders Servicefreundlich. Die meisten Platinen wurden mit kurzen Kabeln zusammengehängt, und man muss fast alle Baugruppen der Front ausbauen um ein Service durchzuführen.

Hierzu wird die Frontplatte entfernt – Auch hier erkennt man bereits Spuren von Fremdeingriffen.

entfernen der Frontplatte
Potentiometer und Schalter müssen demontiert werden
die gesamte Frontplatte kann nach vorne weg gekippt werden
Wippschalter von hinten

Alle Wippschalter werden zunächst entfernt und völlig zerlegt. Ein besonderes Augenmerk muss auf die unterschiedlichen Typen der Schalter gelegt werden. Die Schalter sehen von außen völlig gleich aus, haben aber ein unterschiedliches Schaltschema.

die Wippschalter sind zusätzlich verschraubt um eine bessere Verbindung zu Masse zu erhalten, somit werden Einstreuungen reduziert
alle Komponenten sind miteinander „verkabelt“, was schnell zum Chaos führt
geöffneter Wippschalter
starke Oxidation der Kontaktfahnen

Nachdem bei den Schaltern die Oxidschicht durchbrochen, und eine Ultraschallreinigung in Alkohol durchgeführt wurde, werden die Schalter wieder mit frischen Kontaktschleiffett zusammengebaut.

Ein erster Test bringt eine teilweiße Besserung der Symptome. Es gibt keine Geräusche mehr beim betätigen der Wippschalter, das Explosionsartige knallen des Attenuate-Schalters, sowie der fehlerhafte Frequenzgang bleiben aber.

Das Problem mit dem Frequenzgang lässt sich aber relativ schnell auf die Frequenzumschalter und den Bass/Treble Regler selbst eingrenzen.
Ein Service der vier Potentiometer lässt dieses Symptom verschwinden.

gereinigter Kontaktring eines Frequenzumschalters
Bass & Treble Regler werden ausgelötet
…und für ein Service geöffnet. Schön zu erkennen die einzelnen Steps
Frequenzgang OK – das laute „knallen“ bleibt aber erhalten

Das knallen lässt sich auf das Pre/Equalizerboard eingrenzen, hier scheint die Verstärkerschaltung mit den beiden Transistoren keinen stabilen Arbeitspunkt mehr zu erreichen, sodass sich beim Umschalten des Attenuate-Schalters eine Gleichspannung bildet.

2SC1345 – Problemkind?

Zwar würde man meinen das liegt bestimmt am alt bekannten Querulantentransistor 2SC1345, beim voreiligen Proformamäßigen Austausch dessen zeigt sich aber absolut keine Symptomveränderung.
Und nun? Natürlich müssen es dann die Tantalkondensatoren sein! Kurzerhand werden diese ausgelötet, und am LCR-Meter geprüft. Alle haben noch ihre Soll-Kapazität sowie einen plausiblen ESR-Wert.

Ehrlich gesagt saß ich hier eine ganze Weile um den Fehler zu finden…
Der Fehler ist nämlich ganz schön tükisch, aber nicht unbedingt untypisch.

Tantalkondensatoren finden meist aufgrund dessen geringen Leckstrom Anwendung.
Speziell in dieser Schaltung wird der Arbeitspunkt der beiden Transistoren über 2 Tantalkondensatoren festgelegt.

Nach verzweifelten Stunden kam ich also auf die Idee die Tantalkondensatoren nochmals auszubauen und noch genauer zu untersuchen.
Die Messungen erfolgen diesmal mit einem Tektronix 576.
Tatsächlich! Einer der Kondensatoren weißt einen Leckstrom deutlich außerhalb der Spezifikation auf!

einer der verbauten Tantalkondensatoren am Tektronix 576, Leckstrom 1.8mA – Spezifikation sind 0.5uA!
zum Vergleich ein Fabriksneuer Tantalkondensator mit gleicher Kapazität und Spannungsfestigkeit

Die Schaltung dieser Equalizerstufe im L-85V ist im Allgemeinen sehr gewagt, denn diese ist extrem empfindlich auf den ESR der verwendeten Kondensatoren sowie der allgemeinen Eingangsimpedanz dieser Stufe.
Die Knall-Symptomatik bessert sich zwar drastisch beim erneuern der Tantalen, ist aber noch nicht zufriedenstellend.
Bevor ich nun die Stufe auf den veränderten ESR-Wert der Kondensatoren anpasse, tausche ich Proaktiv doch noch die 2SC1345, ansonsten würde sich ein anderer Techniker beim nächsten Reparaturbesuch womöglich noch das Leben nehmen.

Als Ersatz kommt hier nicht wie oft in Foren empfohlen der 2SC1815 zum Einsatz.
Der originale 2SC1345 wurde speziell für ein LowNoise Design im Audiobereich entwickelt, weswegen eigentlich kein 2SC1815 verwendet werden soll.
Idealer Ersatz ist der 2SC2240, da dieser auch eine ähnliche Gleichstromverstärkung aufweist und zusätzlich auch noch ein LowNoise Typ ist.

Nun wird die Impedanz über C401/C402 sowie R407 und R408 angepasst. Der Ideale Wert ergibt sich mit 1uF und 120k.

Anschließend bessert sich die Symptomatik drastisch!
Natürlich wurde eine Messung des Frequenzgangs im Originalzustand sowie nach der Modifikation gemessen. Außer der erwarteten Dämpfung um ca. 0.5dB gibt es keinerlei Veränderungen im Frequenzgang!

Frequenzgang, Blau: Originalzustand, Rot: 2SC2240 mit angepasster Eingangsimpedanz (1uF/120k)

Weiter geht’s mit der Endstufe. Beide Endstufen weißen eine etwas zu hohe DC-Balance auf, bei der Seite mit den getauschten Endstufentransistoren lässt sich der Ruhestrom nicht justieren.

Um ohnehin auf beiden Seiten dieselbe Performance zu erreichen, werden auf beiden Seiten die Transistoren gegen gematchte ON MJ21194G und MJ21193G ersetzt.

Vorab wird noch auf der „originalen Seite“ eine umfassende Messung des THDs durchgeführt.
Aus Solidarität werden auch auf der Endstufenplatine die Tantalkondensatoren sowie Elkos in der DC/Ruhestrombeschaltung erneuert.

Ersetzte Endstufentransistoren mit neuen Glimmerscheiben und WL-Paste

Anschließend ist auch die DC-Balance kein Zufallsgenerator mehr beim Einschalten.
Der Ruhestrom soll lt. Servicemanual auf etwa 50mA justiert werden – das reicht auch für die ON Transistoren.
Um den Ruhestrom zu justieren muss lt. Manual jeweils ein Kabel der Spannungsversorgung aufgelötet werden, um dann ein Amperemeter in Serie zu schalten.
Noch komfortabler geht das ganze natürlich mit einem Stromtastkopf und einem Oszilloskop

Justage des Ruhestroms mithilfe eines Stromtastkopf

Standardmäßig wird nun noch das Lautsprecherrelais repariert – Die Kontakte sind schon mehr als abgenutzt. Unter anderem kam es hier vermutlich durch den hohen DC-Pegel zu erhöhten Verschleiß.

Bei der weiteren Kontrolle fällt noch eine L/R Disbalance von ca. 1.3dB auf. Bei vielen Herstellern liegt die Spezifikation bei 1.5 bis 2dB.

Messung der L/R Abweichung

Da die 1.3dB über den gesamten Lautstärkebereich gleichbleibenden sind, und die Schaltung es zulässt, kann mithilfe eines Potentiometers am Eingang des EQ-Boards der Pegel angepasst werden.

470k Potentiometer, Signal gegen GND
perfekte L/R Pegelanpassung

Letztendlich werden noch die Primärkondensatoren überprüft. Immerhin gibt es hier keine böse Überraschung mehr. Die Kondensatoren liegen noch deutlich innerhalb der 20% Toleranz.

Nun folgt endlich die Endkontrolle!

Das Ergebnis ist tatsächlich phänomenal!
Die Endstufe erzielt mit den neuen Transistoren ein deutlich besseres Verhalten in Bezug auf Verzerrungen!

THD-Messung linker Kanal, Rot: Toshiba 2SC1079/2SA679, Blau: ON Semi MJ21194G/MJ21193G

Man muss auch ehrlich sagen – der L-85V hat ein Wahnsinns Klangbild, und es macht richtig Spaß damit Musik zu genießen!

THD Messung, an 8Ohm wird ein noch besseres Ergebnis erzielt
Frequenzgang L+R

Der Hersteller verspricht 80W/Kanal an 8 Ohm bei 0.05% THD, welche auch locker eingehalten werden.
Erst ab ca. 95W geht der Luxi so langsam ins Clipping über.

THD Messung vs. Ausgangsleistung an 8Ohm (L+R)

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