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Benytone X-Calibre MA-4000 / Carver M-500

HiFi Reparatur und Service

— Vorsicht langwierig —

Es ist mal wieder so weit – ein ganz seltenes Gerät hat es auf meinen Tisch geschafft welches auf jeden Fall einen Blogeintrag Wert ist!
Es handelt sich um eine Benytone X-Calibre MA-4000 Endstufe, in welcher eigentlich der amerikanische Carver M-500 steckt. Das Gerät wurde für den europäischen Markt nur umgelabelt und über die Marubeni Cooperation hierzulande verkauft.
Das Gerät stammt aus dem Jahr 1983 und trumpft mit komplexer Elektronik auf die selbst heute noch manch Kollegen in die Verzweiflung treibt.

Herzstück des ganzen Geräts ist natürlich neben der ausgeklügelten Endstufe das Netzteil.
Dies besteht nicht wie gewöhnlich aus einem reinen Trafo sondern aus einem vorgeschalteten (Schalt-)Netzteil welches über einen Triac in den Trafo hackt und zusätzlich in Echtzeit die Versorgungsspannungen an den Endstufen überwacht.
Sobald Leistung entnommen wird und die Spannung nur minimal abfällt wird der Zündwinkel des Triacs soweit verändert das sofort wieder die volle Versorgungsspannung zur Verfügung steht.
Als wäre das nicht genug Aufwand wird in der Endstufe selbst auch noch die entnommene Leistung gemessen. Bei kleiner bis mittlerer Leistung werden die Endstufen mit +/- 36V versorgt, kommen laute anspruchsvolle Musikpassagen bzw. wird mehr Leistung durch höhere Lautstärke benötigt wird dynamisch für jede Endstufe und jede Versorgungsspannung einzeln und in Echtzeit von 36V auf 72V umgeschaltet.
Durch dieses System bleibt die Endstufe bei leiserer Lautstärke trotz geringer Verzerrung auf einem sehr kühlen Niveau.

Nun aber endlich mal zum Patienten selbst.
Ich hatte über die letzten 10 Jahre schon 5 dieser Geräte mit unterschiedlichsten Fehlern bei mir. Das größte Problem an dieser Endstufe sind meist Reparaturversuche durch (unwissende) „Techniker“ welche nicht mal einen Blick auf den Schaltplan geworfen haben bevor Sie ganz hektisch probierten irgendwie einen Fehler zu beheben.
Das Gerät welches nun bei mir ist, ist leider sehr schwer von dieser „Fehlbehandlung“ betroffen.
Das Gerät hatte ursprünglich einen Netzteilfehler (vermutlich in der Ansteuerung des Triacs), denn nach dem Einschalten geschah einfach nichts weiter.
Der Besitzer brachte das Gerät zum „Elektriker des Vertrauens“ welcher wohl einen Fehler in der Endstufe vermutete (und darum sollte das Netzteil wohl in den Protect-Modus gehen).
Jedenfalls hat man dort kurzerhand zum „probieren“ mal den Triac überbrückt – der ist ja auch bestimmt ganz umsonst in das Gerät eingebaut worden.
Nicht das dadurch eine viel zu hohe Spannung an den Trafo gelangt, nein, man hat auch noch die falschen Pins überbrückt und den Netzeingang mit dem Gate verbunden.
Die Folgen…

Immerhin sitzt der „Elektriker“ vermutlich heute noch in irgendeinem Eck und hat Angst nach dem aufregendem Böller-Feuerwerk was er verursacht hat.
Da der Trafo weder für einen Sinus noch für 230V ausgelegt ist, wurde eine viel zu hohe Spannung in die Sekundärwicklungen induziert und sämtliche nachfolgende Schaltkreise gegrillt, Leiterbahnen abgedampft.

Ein kleiner Blick in den Endstufenbereich lässt den ersten befürchteten Gedanken ebenso bewahrheiten…

Eine kurze Messung an den Endstufentransistoren – Die seltenen Transistoren sind für immer von uns gegangen.
Immerhin gibt es hier keine Zweifel mehr – Das Gerät ist ein wirtschaftlicher Totalschaden, aber da in meiner beruflichen Laufbahn noch kein einziges (vor allem seltenes) High-End Gerät meine Werkstatt unrepariert verlassen hat, sollte sich dies auch bei diesem Gerät nicht ändern.

Leider sind die Geräte sehr heikel und aufwendig zu reparieren. Die Ersatzteile sind sehr schwer zu beschaffen, und manche Teile (z.B der Thyristor zur Triac-Zündung) können aufgrund der extrem empfindlichen Abstimmung des Netzteils nicht substituiert werden.

Manchmal wurden die Geräte auch schon in der Annahme verschrottet, der Transformator sei defekt. Eigentlich ist der Trafo unverwüstlich, und die Tatsache das er an einem 50Hz Sinus an 230V ohne Last an der Sekundärseite über 10A aufnimmt, ganz normal.
Wie oben beschrieben ist der Trafo nicht für einen vollständigen Sinus optimiert.

Also gehts erstmal an die Arbeit – das Netzteil soll repariert werden.
Die wichtigsten Netzteilkomponenten (Primär sowie Sekundärseitig) befinden sich auf Extensionsboards welche mit Pins auf die Hauptplatine gelötet sind.
Diese werden zunächst ausgebaut – leider sind auch hier Leiterbahnen abgedampft.

Begonnen wird mit der Platine der Sekundärregelung – einige Transistoren und Widerstände müssen erneuert werden; Leiterbahnen repariert

Vorher – Nachher

Die eigentlichen „Probleme“ beginnen mit der Reparatur der Primärplatine.
Darauf befinden sich unter anderem zwei Z-Dioden welche damals für Carver speziell angefertigt wurden und eine Z-Spannung von 26,5V besitzen. Zusätzlich sind die Dioden noch perfekt selektiert sodass diese die exakt selbe Z-Spannung aufweisen.

26,5V Z-Dioden sind praktisch nirgends zu bekommen, also können als Ersatz lediglich 27V Dioden verwendet werden. Dennoch müssen auch diese perfekt selektiert sein, ansonsten funktioniert das Netzteil später nicht richtig.

Da derartige Dioden auch noch extrem empfindlich auf Temperaturunterschiede reagieren muss für die potentiellen Kandidaten erstmal dieselben Bedingungen geschafft werden und anschließend die Messung unter dementsprechend niedrigen Stromfluss erfolgen, um die Dioden nicht aufzuheizen.

Die Dioden werden mit einer Halteklammer auf einen großzügigen Kühlkörper montiert und „schwimmen“ dabei in Wärmeleitpaste.
Anschließend werden die Dioden nach der Z-Spannung bei einer Auflösung im mV-Bereich selektiert um ein perfektes Pärchen zu finden.

Zusätzlich befindet sich auf der Platine ein weiteres Teil was nur sehr schwer zu beschaffen ist – ich hab auch schon diverse Ersatztypen anstatt des Originals probiert – leider ohne Erfolg.
Es handelt sich um einen Thyristor bzw. SBS (Silicon Bilateral Switch) des Typs BS08A von der Firma PowerEX. Natürlich wird das gute Stück nicht mehr produziert und es sind – wie könnte es auch anders sein – extrem viele Fälschungen am Markt.

Vorher – Nachher der Primärplatine

Zusätzlich sind auch noch einige Ersatzteile auf der Hauptplatine des Netzteils nötig.
Unter anderem muss hier der Triac (welcher einen relativ niedrigen Zündstrom hat), Gleichrichter, Optokoppler, Leistungstransistoren im Sekundärteil sowie natürlich die Siebelkos erneuert werden. Die flüchtigen Leiterbahnen werden natürlich an dieser Stelle auch berichtigt.

Somit sollte das Netzteil nach einigen Stunden Arbeit wieder in Schuss sein. Leider ist die Arbeit damit ja nicht getan, denn es gibt ebenso in der Endstufe diverse Brandspuren welche ihre Aufmerksamkeit suchen.

Da in der Endstufe jeweils 2 PNP und 2 NPN Transistoren parallel arbeiten muss auch hier eine Selektion der Ersatztransistoren erfolgen, um später eine optimale Leistungsentfaltung sowie kleinstmögliche Verzerrung zu gewährleisten.

Somit wird die nächste Stunde erstmal mit der Messung der lagernden Ersatztransistoren für Vor und Endstufe verbracht. Diese werden nach Ube sowie der Verstärkung hFE bei einem für die Endstufe realistischen Stromfluss gepaart.

Selektierung der Vorstufentransistoren

Nach dem Paarungsprozess gehts auch schon weiter mit dem Tauschprozedere

Soweit so gut – und wer traut sich die Kiste nun einzuschalten? Mit langsam am Regel-Trenntrafo und einer Glühbirne in Serie hochfahren ist hier nicht 😉 Unter 140V tut sich nichts, und ab 150V fährt das Schaltnetzteil schlagartig weg und reißt alles mit was sich ihm in den Weg stellt! 😀

Wohl oder übel findet sich außer mir niemand – also schraub ich mit dem Feuerlöscher im Anschlag den Trenntrafo hoch bis schließlich bei knapp 150V das A-Meter ausschlägt und die Endstufe mit einem kurzen dezenten Brummen zum Leben erwacht.

Alle Spannungen sehen in Ordnung aus, keine Rauchzeichen – sieht fast so aus als wäre alles Paletti! Da muss man doch nach der groben Einstellung des Ruhestroms direkt mal Lautsprecher ran machen und testen wies klingt.

Eine kleine Legende ist wieder zum Leben erwacht.
Natürlich erfolgt nun noch eine genaue Prüfung der Regelschaltungen.

Der Triac arbeitet genauso wie er sollte, unter Last verändert sich der Zündwinkel um mehr Energie in den Trafo zu pumpen.

Anhand eines analogen Amperemeters kann auch begutachtet werden wie akkurat die Nachregelung über den Triac funktioniert – fast Zeitgleich mit dem VU-Meter an der Gerätefront

Ebenso die Leistungsbedingte Umschaltung der Spannungsversorgung wird auf Funktion geprüft.

Gelb: Eingangssignal, Pink: Versorgungsspannung der Endstufentransistoren

Über einen Komparator wird das Audiosignal geprüft und mit einem Referenzwert verglichen. Sobald der Referenzwert erreicht bzw. überschritten wird, schalten je nach Bedarf bis zu 4 Leistungstransistoren (pos und. neg. Spannung jeweils links/rechts) die höhere Versorgungsspannung auf die Endstufen.

Eine wirklich tolle technische Meisterleistung von Bob Carver für diese Zeit. Von so einem Schaltungsaufwand lässt sich bei heutigen Geräten in dieser Preisklasse nur träumen.

Das Gerät erfreut sich nach einer langwierigen Reparaturphase wieder in bester Gesundheit und wird dem Besitzer hoffentlich wieder viel Freude bereiten.

Im Zuge der Reparatur gefundene defekte Bauteile welche erneuert werden mussten

2 Antworten

  1. ernst.hynek sagt:

    Danke für die ausfuhrliche beschreibung ,die mit witz und zartem Sarkasmus verfeinert wurde ich bin kurz davor mir so eine anlage aus privat besitz zu kaufen,bin aber jetzt doch ein bischen stuzig bezüglich der ausgefeilten mechanik und den ( fast) nicht mehr zu bekommenden ersatzteilen liebe Grüße ernst

    • hifi-workshop sagt:

      Hallo,
      falls du so eine Anlage zu einem vernünftigen Preis bekommen kannst, würde ich aufjedenfall zuschlagen!
      Falls du Probleme damit hast, oder Ersatzteile benötigst – Gerne melden 🙂
      LG

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