Heute zu Gast haben wir einen Engländer aus der Edel-Schmiede „Meridian Audio“, damals registriert unter der Firma „Digital Gramophone and Wireless Limited“.
Der erste Eindruck ist sehr Bombös, edel und extrem schwer!
Die reine Endstufe bringt knapp 30kg auf die Waage, und ist aufgrund des geringen „Radstands“ schwierig anzuheben.
Die Firma rühmt sich lt. eigenen Aussagen als Engineering und Design Pionier aus England in Bezug auf HighEnd Endstufen.
Die technischen Daten lassen auch aufhorchen – 2x 200W an 8 Ohm oder 1x 1000W an 4 Ohm.
„Distortion“ wird mit <0.05% angegeben, hierbei wird aber Interessanterweise nicht angegeben ob es sich um THD oder THD+N, bzw. bei welcher Frequenz oder Leistung dieser Wert gemessen wurde.
Etwas komisch für ein Gerät in dieser Preisklasse – denn 2004 musste man dafür noch über 2000€ auslegen.
Der Herr ist nicht nur auf einen Tee zu mir gekommen – Nein, das Gerät gibt Krach und Krächzgeräusche von sich, und das im Standby… Was Standby bei Meridian bedeutet – dazu kommen wir später nochmal genauer zu sprechen.
Lt. Information vom Vorbesitzer erlitt das Gerät vor vielen Jahre einmal einen Blitzschaden, wurde aber damals durch eine andere Werkstätte repariert.
Seither „knallt“ das Gerät aber ganz sporadisch und extrem laut!
Soweit so gut – schauen wir mal rein!
Der Deckel samt Glasplatte ist gar nicht so schnell abgenommen. Es gehören alle oberen Inbusschrauben gelöst, welche sich seitlich zwischen den Kühlrippen befinden.
Nachdem die schwere Motorhaube abgenommen ist, verweile ich erstmal eine Weile und starre nachdenklich in die Endstufe rein…
Zum einen – Ja, coole Sache, ein riesiger Trafo, 4 NPN und 4 PNP Endstufentransistoren pro Seite ist schon eine Ansage – zum anderen…
- Wieso bitteschön verbaut man einen Kühlkörper in der Größe eines Fußballfelds und quetscht die Endstufentransistoren danach soweit zusammen, dass nicht mal mehr ein Blatt Papier dazwischen passt.
- Was machen diese ganzen Relais auf der 230V Platine??
- Was macht ein derartig heftiger Endstörkondensator, welcher normal in Waschmaschinen verbaut ist, in einer Endstufe?
- Wo sind bitteschön die Lautsprecher/Ausgangsrelais?
Wie man sieht – Fragen über Fragen, auf welche wir später noch zurückkommen werden.
Zunächst erfolgt wie üblich eine optische Kontrolle.
Hier fallen sofort aufgeblähte Elektrolytkondensatoren auf, sowie komplett verschmorte Bauteile auf der rechten Endstufenplatine – und Ja, das ergibt erstmal richtig heftig Arbeit.
Zwar kann man die Kühlkörper inklusive Endstufenplatine schön aus dem Gehäuse kippen, die Endstufentransistoren halten aber Bombenfest am Kühlkörper.
Da ich neue Kühlpads vermeiden möchte (Das Abkratzen der alten ist auch eine nervige Arbeit), und die Transistoren auch nicht beschädigen möchte, ist die sicherste Variante die Transistoren abzulöten.
Neben einem Transistor der die Ruhestromregelung beeinflusst, befindet sich auf der Unterseite ein Thermistor auf dem man aufpassen muss.
Zuerst einmal schaue ich mir die abgefackelten Bauteile an, ein Blick in den Schaltplan lässt vermuten, dass hier damals eine Reparatur falsch durchgeführt wurde.
Hier sollte eigentlich ein Leistungswiderstand verbaut sein, welcher zusätzlich gar nicht auf der Platine direkt, sondern zur Kühlung abstehend eingelötet werden muss.
Ein fataler Fehler – denn die Platine ist nun stark in Mitleidenschaft gezogen worden.
Zusätzlich wurde bei der letzten Reparatur auch noch eine falsche Z-Diode verbaut.
Auch die bereits früher getauschten Elkos wurden allesamt beim löten angesenkt.
Die Teile werden nun natürlich richtig ersetzt und eingebaut – Optisch lässt sich da aber leider nichts mehr aufschönen – die Funktion ist dennoch gegeben.
Weiter geht’s zur Blähdiatrie – wieso hier so viele Elkos Blähungen aufweisen ist relativ schnell klar.
Aus irgendeinem Grund hat man hier Elkos direkt neben Spannungsregler verbaut, und zwar so dass diese schön von der aufsteigenden Hitze gegrillt werden.
Vielleicht steigt ja in England warme Luft nicht auf, sondern sinkt zu Boden? Man weiß es nicht…
Überflüssig aber als Neugier vermesse ich die Elkos noch… Das Ergebnis ist wenig überraschend.
Auch die kleineren Elkos welche noch keine Symptome zeigen, haben bereits erheblich an Kapazität verloren.
In diesem Fall hilft tatsächlich nur eine Elkokur, welche wieder nur zeitlich begrenzt Abhilfe schaffen wird.
An dieser Stelle kommen wir noch zu einem höchst Interessanten, und Zugleich absolut dämlichen Fakt.
Standby – Meridian empfiehlt selbst in der Bedienungsanleitung das Gerät stets eingeschaltet zu lassen, da es nicht so viel Strom benötigt. Nunja, zu den 2000er wo Strom quasi nichts gekostet hat, waren 40W „Standby“ vielleicht nicht so viel – denn das Gerät weißt überhaupt gar keinen Standby Modus auf.
Wirft man einen genauen Blick in den Schaltplan, stellt man fest, dass keinerlei Standby-Schaltung vorhanden ist. Die Endstufe reguliert einfach immer nur den Ruhestrom auf ein Minimum, was die Kühlkörper quasi kühl bleiben lässt.
Bedenkt man heutige Stromkosten, so braucht der 557 im „Standby“ knapp 1kWh/Tag, somit ca. 30Cent/Tag, 2,10€/Woche, 109€/Jahr – Da gehen sich zwei Runden im Steakhouse drum aus.
Dennoch grillen die Spannungsregler und die darüber liegenden Elkos 24 Stunden am Tag vor sich hin.
Verwendet man nun die qualitativ höchstwertigen Elkos mit einer Lebensdauer von 10000 Stunden/105°C, und zieht die Abwärme der Spannungsregler hinzu, kommen wir auf eine reale Lebensdauer der Kondensatoren von ca. 1040 Tagen – was nicht einmal 3 Jahre entspricht.
Wollte man hier absichtlich Reparaturen generieren, oder war es einfach jugendlicher Leichtsinn?
Fazit: Ein absolut gravierender Konstruktionsfehler der Ingenieure, und ein Aspekt der nicht bedacht wurde (Hoffe ich zumindest Inständig, ansonsten grenzt das an Fahrlässigkeit)
Soweit so gut – alle Elkos werden getauscht, die großen Siebelkos im Netzteil geprüft, Endstufentransistoren wieder eingelötet, neue WL-Paste auf die „Fühlertransis“, und ab geht’s zu einem ersten Test.
Wenn ich mir nun das große Ganze anschaue, das Platinendesign und nun auch noch den Schaltplan im Detail studiere, frage ich mich allerdings – HABEN DIE ALLE GESOFFEN?????????? – UND WENN JA: WAS WAR DAS FÜR EIN ZEUGS??
Es sieht aus als wurde beim Platinendesign einfach das Autorouting von Eagle verwendet. Einige Bauteile aus dem Schaltplan befinden sich erst gar nicht auf der Platine bzw. haben die falsche Bezeichnung.
Zur Signalumschaltung für den Bridge-Modus wird ein CD4053 verwendet, welcher lt. Hersteller „Typical 0.12% THD“ aufweißt – eine tolle Idee sowas in eine Highend-Endstufe einzubauen.
Die „Relais-Platine“
Eigentlich würde man sich in dieser Preisklasse doch eine aus technischer Sicht gesehene hochwertige Lösung erwarten.
Die Engländer sind da allerdings anderer Meinung:
Der fette Entstörkondensator aus Oma‘s Waschmaschine?
Dient als „Einschaltverzögerung“ bzw. Strombegrenzung – Hierzu zieht ein Relais an und der große Ringkerntrafo wird langsam magnetisiert, bis dann das Relais abfällt und ein anderes Relais die Netzspannung direkt aufschaltet.
Und das 3. Relais?
Ja meine Herren – da dachten die Engländer… „wir sind ganz schlau und schlagen 3 Fliegen mit einer Klappe.“
Das 3. Relais ist das „Protect-Relais“. Wird Gleichspannung erkannt, schaltet dieses Relais die 230V vom Trafo weg, und das Gerät wird quasi Stromlos gemacht. (Das Relais muss dazu aber anziehen!)
Lautsprecher-Relais zum Schutz? Gibt es keine!
Im Fehlerfall wird also tatsächlich ganz unverschämt und ohne Scham die gesamte DC-Energie der Netzteil-Elkos in die Lautsprecher versenkt. JA SPINN ICH???
Inzwischen glaub ich schon ich bin im falschen Film – aber es kommt noch deutlich schlimmer!
Während ich diese Zeilen hier schreibe läuft der 557 nämlich gemütlich in Zimmerlautstärke vor sich hin, als plötzlich ein Knall aus den Lautsprechern ertönt der sich gewaschen hat.
Zusätzlich springt das Amperemeter meiner Werkbank auf Vollausschlag!
Ich springe vom Stuhl und betätige das erste Mal überhaupt den Not-Ausschalter.
Das tolle Schutzrelais welche alle Probleme der Engländer lösen soll? – Fehlanzeige!
Nach den Herztropfen folgt mal eine erste Inspektion – wieso hat die Schutzschaltung nicht angesprochen?
Die Schutzschaltung wurde mit einem LM339 gelöst der bei Bedarf Q2 schalten soll. Q2 schaltet wiederrum das „O/P Trip“-Relais und wie oben erwähnt den Primärtrafo Spannungsfrei.
Studiert man die Schaltung allerdings genauer, stellt man fest das bei fehlender 15V-Versorgung oder schlichten defekt des LM339 keine Schutzschaltung vorhanden ist.
Auch das ein Relais „ANZIEHEN“ muss um den Schutzmechanismus auszulösen, ist mehr als fraglich!
Ich weiß echt nicht was sich die Entwickler von diesem Gerät gedacht haben… Ein derartiges Schaltungsdesign könnte ich nicht mit ruhigen Gewissen auf den Markt bringen.
Andere Namhafte Hersteller wie Accuphase, NAD, Luxman, Yamaha etc. bauen ja auch ganz sicher zum Spaß Lautsprecherrelais ein.
Nun zum eigentlichen Problem – der extrem lauten Knallgeräusche
Nach erneutem Einschalten scheint alles wieder normal zu sein – der 557 spielt als wäre nichts gewesen, allerdings stellte sich heraus das einer meiner geliebten Kenwood Referenzlautsprecher bei dieser Aktion gestorben ist!
In den meisten Fällen ist ein derartiger Fehler nicht so schwer zu finden, insofern man weiß wonach man suchen muss.
Oftmals wird ein derartiger Fehler von Transistoren verursacht die einen ungewöhnlichen Leckstrom bzw. ungewöhnliches Verhalten aufweisen.
Der 557 hat aber ebenso Polystrol-Kondensatoren verbaut welche auch für ein derartiges Verhalten bekannt sind.
Zu meiner Enttäuschung konnte ich aber trotz Kältespray und Heißluft den Fehler nicht eingrenzen.
Auch Langzeitmessungen an verschiedenen Punkten sind nur bedingt nützlich, da auch bei dieser Endstufe alles DC-Gekoppelt ist, und das Problem somit im Fehlerfall auch überall messbar.
Ich tausche auf Verdacht alle Polystrolfolien-Kondensatoren aus, allerdings ohne Erfolg. Nach etwa 30 Minuten zeigt sich wieder dasselbe Fehlerbild – es gibt einen lauten Knall am rechten Kanal! (Diesmal habe ich aber vorgesorgt, und trage einen Gehörschutz!)
Nach Stundenlanger systematischer Fehlersuche und Vergleichsmessungen mit dem anderen Kanal gibt es leider absolut keine Diagnose.
Vor allem tritt der Fehler manchmal nach 30 Minuten, manchmal aber auch erst nach 2 Stunden auf.
Ich befürchte und vermute das durch den damaligen Blitzschlag womöglich Halbleiter bzw. ICs beleidigt wurden.
Vor allem die verwendeten FET-Operationsverstärker könnten durchaus anfällig dafür sein.
Da diese Endstufe auch einen persönlichen Wert besitzt, sollte sie natürlich keinesfalls abgeschrieben werden.
Zum ersten Mal überhaupt bei einer Reparatur, entscheide ich mich alle Halbleiter dieses Kanals zu erneuern.
Dazu zählen alle Transistoren der Vorstufe, Vorstufentreiber und Spannungsversorgung. Beide FET Operationsverstärker sind zwar extrem schwer aufzutreiben, werden aber erneuert, da dies meine Hauptverdächtigen sind.
Ebenso der LM339 und der CD4053 stehen auf der Liste.
Der OPA44 kann durch den OPA42 ersetzt werden.
Die Endstufentreiber SM3178 und SM3177 können durch MJE15032 und MJE15033 ersetzt werden.
Die Endstufentransistoren werden nicht erneuert.
Um Nachzuholen was die Entwickler versäumt haben, entwickle ich zusätzlich eine „Protect-Schaltung“ sowie eine zugehörige Platine auf Basis des uPC1237.
Zusätzlich werden zwei Lautsprecherrelais nachgerüstet welche von dieser Schaltung gesteuert werden.
Der uPC1237 kontrolliert den Lautsprecherausgang der beiden Kanäle sowie die AC-Spannung am Trafoausgang. Geht die AC-Spannung verloren oder wird am Ausgang eine DC-Spannung festgestellt, fallen sofort die Lautsprecher-Relais ab.
Um das ganze halbwegs vernünftig zu montieren, entwerfe ich eine Halterung welche im 3D-Druck verfahren produziert wird.
In der Zwischenzeit sind Ersatzteile aus aller Welt eingetroffen. Alle Halbleiter zu tauschen ist keine einfache Arbeit, vorallem ist die Doublelayer-Platine sehr empfindlich.
Um die Platine zu schonen werden Transistoren und ICs direkt an den Beinchen abgeschnitten und die Anschlussdrähtchen einzeln entfernt.
Nach vielen weiteren Stunden sind alle Halbleiter der rechten Seite erneuert und die Schutzschaltung sowie die beiden Lautsprecherrelais eingebaut.
Etwas aufgeregt lege ich den Hauptschalter der Endstufe um – aber nach dem üblichen „Einschaltbrumms“ des Trafos, bin ich erleichtert als das Anziehen der Lautsprecherrelais ertönt.
Nach ein paar grundlegenden Messungen traue ich mir auch die Lautsprecher wieder anzuschließen – alles scheint in Ordnung!
Nach über einer Woche Dauerbetrieb lässt sich sagen – der 557 funktioniert wieder ohne Probleme!
Interessantes Detail am Rande:
Um sicherzustellen das sich die Reparaturarbeiten nicht negativ auf die Performance auswirken, habe ich THD und Frequenzgang-Messungen VOR und NACH der Reparatur durchgeführt.
Davor zeigte sich eine doch deutliche „schlechtere“ rechte Seite. Nach dem erneuern der Bauteile arbeitet die rechte Seite nun deutlich besser und auf dem Niveau der linken Seite!
Ein weiteres Indiz das der Fehler nun behoben ist.
Leider zeigen sich nach kurzem Betrieb auch schon die angesprochenen Designprobleme:
Die Wärmeabführung ist aufgrund der Bestückungsdichte der Endstufentransistoren suboptimal
Die Spannungsregler grillen stets die darüber liegenden Bauteile / Kondensatoren
Das einzige was man den Engländern hier zu gute halten muss: Die Vorstufe wurde schmäler designed, somit kann die Abwärme der Endstufe besser weg zirkulieren und grillt nicht die Vorstufe.
Fazit der Endstufe:
Trotz schwerwiegender Designtechnischer Fehler (welche nun zum Teil mit dem Nachrüsten einer zuverlässigen Protect-Schaltung glattgebügelt sind) handelt es sich natürlich um einen richtigen Boliden.
Der Trafo und die Spannungsversorgung ist sehr üppig dimensioniert (sodass man sogar dachte man muss hier auf Bauteile einer Waschmaschine zurück greifen)
Die Endstufe bietet massiv Leistung, und übertrifft bei TDH-Messungen im mittleren und oberen Frequenzbereich sogar einige Accuphase Endstufen.
Eine Antwort
schöner Bericht
interessant, was man für soviel Geld dann doch alles nicht bekommen hat.
da war man bei den Japanern doch deutlich besser aufgehoben.
Mein Kenwood KA7050r zieht auch um die 93w Wirkleistung im Betrieb, dafür im Standby nur 1,5. Der KK wird auch so 50-55c warm, der Bias ist mit 140mA aber auch recht hoch, für die Toshiba 2sk1530 aber wohl normal.