Diesmal in der Notaufnahme: ein Denon AVC-A10SE Schwergewicht, Geburtsjahr 2001, Körpergewicht 22kg, Zustand kritisch.
Der Bolide lässt sich zwar noch einschalten, gibt aber keinen Mucks von sich. Auch das typische klacken der Lautsprecherrelais bleibt aus.
Obwohl das Gerät so alt ist, wird es noch immer aufgrund der guten Endstufenleistung gerne verwendet.
Unter der Motorhaube befindet sich ein stattlicher Ringkerntransformator sowie ein massiver Endstufenblock mit aktiver Kühlung welcher bei Bedarf auch als Standheizung verwendet werden kann.

In der Endstufe werden von Sanken speziell für Denon gefertigte komplementäre Darlington-Transistoren verwendet, welche nur in einer Handvoll Geräte verwendet wurde. Für Front L, Front R und dem Center-Kanal stehen völlig eigene Endstufenkanäle zur Verfügung, während sich die Gruppe Surround A & B jeweils einen Kanal teilen.
Da die Lautsprecherrelais nicht schalten, liegt der Verdacht nahe das eine zu hohe DC-Spannung am Ausgang anliegt.


Somit wird einfach mal an allen Ausgängen der Endstufe gemessen, und siehe da… an einem der Ausgänge liegen über 63V an – das ist dann doch etwas zu viel für einen Lautsprecher!
Bleibt also nicht aus – der Endstufenblock muss ausgebaut werden, was in diesem Fall sehr viel Arbeit bedeutet. Hierzu muss der Trafo gelöst werden sowie gefühlt 100 Steckverbindungen gelöst. Ebenso die Spannungsversorgung sowie die Endstufenausgänge müssen durch Schraubklemmen getrennt werden.

Nachdem der massive Endstufenblock ausgebaut wurde, erfolgt eine optische Prüfung am verdächtigen Kanal. Hier fallen auch sofort verbrannte Sicherheitswiderstände auf.
Zunächst werden die Endstufentransistoren ausgelötet und einzeln geprüft


Leider haben sowohl der NPN als auch der PNP Endstufentransistor einen Kurzschluss.
Das Problem: Die Transistoren sind aufgrund der Sonderanfertigung extrem schwer zu bekommen. Weiters sind eine Menge an Fälschungen im Umlauf. Hinzu kommt noch, dass es verschiedene Klassifizierungen bzgl. Verstärkung (hFE) gibt.
Bei seriösen Anbietern in Europa sind leider nur noch Transistoren mit der falschen Klassifizierung lieferbar. Einzig und alleine auf Aliexpress finden sich „angeblich“ originale mit der richtigen Verstärkung, zu einem doch recht stolzen Preis von 20€. Egal – ich bestelle sowohl Ersatztransistoren mit falschen Verstärkungsranking, sowohl die Transistoren von AliExpress, mit dem Wissen das diese vermutlich für die Tonne bestimmt sind.
Nach ein paar Wochen ist es dann auch soweit, die Ersatztransistoren sind eingetroffen.

Auf den ersten Blick sehen die Ersatztransistoren eigentlich OK aus – selbst die von Aliexpress. Klar, der Aufdruck hat einen anderen Farbton – aber sogar die Stempel am Molding sind vorhanden… Eine sehr gute Fälschung?
Die Ersatztransistoren werden natürlich genau untersucht.
Dazu werden die Teile am Tektronix 576 unter Last gemessen und dabei auch noch die Gleichstromverstärkung ermittelt. Als Referenz dienen noch intakte Transistoren eines anderen Kanals.

Erfahrungsgemäß rauchen Chinafälschungen hier relativ schnell ab, oder verändern die Leitfähigkeit überdurchschnittlich stark bei Erwärmung.
Zunächst scheidet leider der Ersatz aus Europa aus, da die Gleichstromverstärkung völlig anders als die der Originaltypen ist.

Überraschenderweise passt der hFE-Wert sowie die Messkurve bei den Chinatransistoren relativ gut mit dem original überein, und selbst bei einem höheren Strom gibt es weder Knall noch Rauchzeichen – Was ist denn da los??

Selbst bei einer Prüfspannung von 150V will sich das Chinateil einfach nicht über die Klippe werfen – Es wird sich doch nicht etwa um ein Original handeln?
Einfach so trau ich mir das Teil jedenfalls nicht als dauerhaften Ersatz einzubauen – um mein Vertrauen zu gewinnen sind also noch weitere Untersuchungen nötig.
Mit freundlicher Unterstützung eines lokalen Unternehmens, ergibt sich die Möglichkeit die Transistoren einer Röntgenuntersuchung zu unterziehen.


Es ist kaum zu glauben – Der „Chinaböller“ erweist sich in der Bauweise als Original. Die Die-Größe ist identisch mit der des originalen Transistors.
Somit kann tatsächlich angenommen werden das es sich bei dem Transistor um eine gute Qualität handelt und ist damit für einen Ersatz geeignet.
Natürlich sind auch ein paar andere Bauteile in dem betroffenen Kanal mitgestorben. Ein paar Dioden sowie Widerstände müssen erneuert werden – die Vorstufentransistoren selbst haben aber keinen Schaden genommen.
Nach ein paar Stunden Arbeit ist die Karre wieder zusammengebaut, und es kann getestet werden.
Ein paar Sekunden nach dem Einschalten gibt es auch schon eine erfreuliche Nachricht – Das Lautsprecherrelais klackt!

Die Endstufe kann einfach über die vorgesehenen Servicestecker justiert werden.
Auch die Messungen am Ende zeigen eine einwandfreie Funktion!

